Kalkofes letzte Worte
Der letzte Rutsch

Es ist soweit. Wir alle müssen nun tapfer sein, denn bald schon heißt es Abschied nehmen. Unser schönes Jahrtausend nippelt langsam ab. Wenn man den Ärzten und Kalenderfetischisten glauben darf, dann kneift das alte Schlachtroß in 12 Monaten den Arsch zu. Klappe zu, Affe tot. Doch heißa, laßt uns nicht lange traurig sein, denn schon bald beginnt dafür die Zukunft! Die Zeit, die wir bisher nur aus "Raumschiff Enterprise" kannten, das neue Millennium, wie der eitle Fremdwörter-Duden-Leser es gern nennt. Da wird sich dann einiges ändern, soviel ist mal sicher. Viele vermuten ja, die Menschheit wird endgültig komplett wahnsinnig. Andere befürchten sogar das Schlimmste - daß alles so bleibt, wie’s ist. Hobby-Pessimisten und Katastrophenfreunde erwarten ungeduldig den bereits so lange prophezeiten Weltuntergang und üben schon jetzt ihr letztes triumphales Lachen, wenn die launische Kugel zum Jahrtausendwechsel endlich explodiert. Andere glauben, daß die finsteren Mächte des Hades zum dreinulligen Neujahrsfest den Globus erobern und die Erde in Zukunft von Immobilienmaklern, Viva-Moderatoren und Parkplatzwächtern regiert werden wird. Genaues weiß man allerdings nicht, vielleicht siegt auch das Gute, Sat.1 wird verschlüsselt, und Modern Talking trennen sich wieder. Es könnte ebenso passieren, daß auf Initiative von RTL der Tag um sechs Stunden verlängert wird, um nach Birte Kastratus, Ilona Christus und Coitus Interruptus Zeit für ein paar neue Talkshows zu gewinnen - oder daß das ZDF zur Strafe "Mensch Ohrner!" hundert Jahre in einer Endlosschleife sendet, bis es endlich einer guckt. Möglich ist aber auch, daß man dort eines Tages plötzlich merkt, daß inzwischen 93% aller Sendungen von Johannes B. Kerner moderiert werden und daraufhin frustriert den Betrieb einstellt. Am wahrscheinlichsten allerdings ist, daß beim Sprung in das neue Zeitalter lediglich ein paar teure Computersysteme abkacken, ein paar Millionen Fertiger am 01.01.00 breit wie die Otter über der Kloschüssel hängen und ansonsten alles genauso beschissen bleibt, wie es schon immer war. Kümmern wir uns also lieber nicht um die Frage nach Silvester 1999 - das werden wir im nächsten Jahr ohnehin mindestens 364 Tage lang tun - sondern genießen wir am 31.12.98 den letzten Rutsch in die Vergangenheit, den nostalgischen Schritt zurück nach vorn in die finalen Zuckungen der ausgehenden Epoche. Feiern wir diese Vorspeise zur Henkersmahlzeit einer verblassenden Ära mit Würde und billigem Schaumwein, und knallen wir uns lieber so dermaßen die Birne dicht, daß der Kater den Rest des Jahrtausends reicht. Das hätte wenigstens Stil. Prost Neujahr!

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