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WEB-HÄNDLER SPREADSHIRT // Leipziger Klamotten-Kombinat
Von Christoph Seidler, Leipzig (entnommen aus Spiegel-Online vom 23. Februar 2006)

Nach tristen Jahren macht sich im Online-Handel wieder Aufbruchstimmung breit. Einer der Stars der neuen Szene ist die sächsische Firma Spreadshirt. Sie verkauft Fan-Artikel für Konzerne wie Coca-Cola - und für mehr als hunderttausend Hobby-Webmaster. Ein Hausbesuch.

Leizpig - Die Büroetage im "Business & Innovation Centre" im Leipziger Stadtteil Plagwitz ist eingerichtet wie aus einem Ratgeber für Start-Ups: Zimmerpflanzen hinter der Eingangstür aus Glas, ein monumentaler Turm von Wasserkisten vor einer rohen Wand. Dahinter ein Fahrrad, eine Couch.

Auf einem Aktenschrank in der Mitte des Büros liegt ein benutztes Buttermesser - gleich nebenan stehen die Trophäen vom "Deutschen Internetpreis", der "Innovationspreis Mitteldeutschland" und einige Auszeichnungen mehr.

Die Räume gehören zur Firma Spreadshirt, die in diesen Tagen zu den am häufigsten ausgezeichneten Unternehmen im Online-Geschäft gehört. Führender Kopf hinter dem Web-Wunder aus Leipzig ist Lukasz Gadowski. Das Stadtmagazin "Kreuzer" zählte ihn jüngst zu den "100 Köpfen, die Leipzig voranbringen".

Gadowski und sein Team leben von der Kreativität anderer: Spreadshirt verkauft T-Shirts und andere Kleidungsstücke - und zwar solche, die von Internetusern entworfen wurden. "Wir befähigen die User, ihr eigenes Ding zu machen", sagt der Chef.

Innerhalb von Minuten können Webmaster mit Hilfe von Spreadshirt ihren eigenen kleinen Online-Laden mit bis zu 80 Produkten aus dem Boden stampfen, jedes davon individuell gestaltet. Wird ein Kleidungsstück bestellt, kümmern sich Gadowskis Leute um Produktion, Versand, Zahlungsabwicklung und Kundenservice. An jeder Bestellung verdienen die Shop-Partner eine Provision, die sie frei wählen. Für den Service bezahlen müssen sie nicht.

Weit über 100.000 dieser "Shop-Partner" gibt es bereits. Zum guten Teil sind das kleine Fische, die kaum jemals etwas verkaufen. Doch in den vergangenen Monaten klopften auch ganz Große beim Klamotten-Kombinat an: Coca-Cola Chart zeigen, Napster und der Filmriese Warner Bros. ("Harry Potter") sind ebenso Kunden wie die Kicker von Borussia Dortmund, Torwart Olli Kahn, die Mozilla Foundation und das US-Kultblog "BoingBoing".

"Im Moment werden über unsere Shops 40.000 Produkte im Monat verkauft", erklärt Konrad Marx, der Marketing-Chef. Gefertigt werden die Unikate in Taucha am Rand von Leipzig, in der Halle einer längst verschwundenen Baumaschinenfirma. In Hörweite der Autobahn werden rund um die Uhr T-Shirts, Trainingsjacken und Tops per Heißtransfer mit Texten in allen Schattierungen des Regenbogens bedruckt - inklusive Sonderfarben wie "Diskokugel metallic".

Spreadshirt legt Wert darauf, dass die Kunden gut gestylt sind: "Nur nicht diese Kartoffelsäcke aus dem Copy-Shop. Alles, was wir verkaufen, muss absolut clubtauglich sein", sagt Marx. Passend dazu schrieb das Unternehmen jüngst beim London Design Festival einen eigenen Preis für das modischste T-Shirt aus.

Rechtlich bewegt sich Spreadshirt oft auf dünnem Eis - denn im Prinzip kann jeder User alles auf alle Produkte drucken lassen. Ein mehrstufiger interner Prozess soll verhindern, dass verfassungsfeindliche Slogans oder geschützte Markenzeichen auf den Eigenbau-Shirts landen. Denn dann könnte Spreadshirt in Kontakt mit klagefreudigen Anwälten kommen.

Als Warnung an die Mitarbeiter hängen an der Wand in der Tauchaer Halle Dutzende A4-Blätter mit Markenzeichen und Schriftzüge, bei denen es schon mal Ärger gab. Der Schriftzug "Fuck me, I'm famous" ist dort ebenso zu sehen wie das Trabant-Logo oder das rote Apotheken-"A".

Diese kritischen Logos sind auch im firmeninternen Wissens-System gespeichert. Durch dieses Nachschlagewerk im Wikipedia-Stil müssen sich alle neuen Mitarbeiter wühlen. Im Schnitt verbringen die Neulinge drei Tage in dieser "Spreadshirt Academy". Nur wer anschließend auf Kontrollfragen ("Beschreiben Sie unser Geschäftsmodell in zwei Sätzen!") eine gute Antwort weiß, darf tatsächlich loslegen. Mit dieser rigiden Politik will Spreadshirt sein Wachstum managen - immerhin sollen 2006 weltweit 100 Mitarbeiter eingestellt werden.

Das Unternehmen veröffentlicht zwar keine Umsatzzahlen. Bei einem durchschnittlichen Artikelpreis weit jenseits von 10 Euro lässt sich aber leicht ausrechnen, dass die Firma schon jetzt mehrere Millionen im Jahr umsetzt. Besonders starkes Wachstum legen Gadowskis Leute in den USA hin, wo bereits 50 Menschen für Spreadshirt arbeiten und es auch eine eigene Produktion gibt. Ableger existieren unter anderem in Holland, Frankreich, Irland und Polen.

Gegründet hat Gadowksi die Firma 2002 ganz ohne fremdes Kapital. In der Zeit der Dotcom-Ernüchterung wollte niemand Geld für sein Vorhaben leihen. Deswegen ist Spreadshirt nach Gadowskis Auskunft heute schuldenfrei. Und schadenfroh: Einige, die ihn damals abblitzen ließen, würden sich heute freuen, wenn sie mit im Boot wären, sagt er. An einem Verkauf der Firma oder einem Börsengang hat er - wie er sagt - "kein Interesse".

Nicht weit von Gadowskis Schreibtsich hängt die allererste Kreation an der Wand: Ein cappuccinofarbenes Shirt, das eine Baseballspielerin zeigt. Die Aufschrift könnte das Motto von Spreadshirt für die Zukunft sein: "Schlagfertig."


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