Kalkofes letzte Worte
Kein Wort über Fußball !

Versuchen sie mal, in diesen Tagen eine mittelschwerschwafelige Konversation zu führen, ohne das böse F-Wort zu benutzen. Nein, nicht "Ficken!" - das können Sie von mir aus den ganzen Tag lang aus vollem Halse grölen und dabei nackt die Rolltreppe bei Karstadt rauf- und runterhopsen. Ich meine "Fußball!" Es wird Ihnen nicht gelingen. Sie können schon stolz sein, wenn Sie nicht irgendwann durchdrehen und schreiend jeden niederschlagen, der sein Gespräch mit "Hast Du gestern das Spiel gesehen?" anfängt. Aber König Fußball kann bis Mitte Juli niemand entfliehen, nirgendwo auf dieser Erde. Selbst wer sich morgen im tiefsten Dschungel halbgar im Suppentopf eines vergessenen Kannibalenvölkchens wiederfindet, wird zu seiner letzten Salzung die munteren Buschmänner mit Rudi-Völler-Frisuren "Einer geht noch, einer geht noch rein!" grölen hören.

Sogar die Frau scheint sich vorübergehend nicht mehr ausschließlich über ihre Fachgebiete hochhackige Schuhe, flache Schuhe, teure Schuhe und das Problem viel zu kleiner Schuhschränke zu unterhalten, sondern heuchelt plötzlich Interesse für den professionellen Ledersport. Meist allerdings nur, um die Männer zu ärgern oder in den Wahnsinn zu treiben, denn für die Damenwelt gibt es offensichtlich nichts Befriedigenderes, als zu sehen, wie die geschwollenen Adern an den Schläfen ihres puterroten Lebensabschnittsverschönerers gefährlich unter den Haarwurzeln pochen, wenn sie in den bedeutendsten Momentes des Spiels mal fragt, was eigentlich Abseits bedeutet oder welche Farbe noch mal die deutsche Mannschaft anhat. Häufig überreizt sie den Spaß aber auch, z.B. mit Sätzen wie: "Ich bin nicht für Deutschland, ich bin einfach dafür, daß die bessere Mannschaft gewinnt!" Nicht selten können solche Worte zu den berühmten letzten werden, und nicht weniger selten erkennen die Gerichte hier auf Notwehr statt Totschlag.

Die sensible Psyche des Mannes ist während der WM nun einmal äußerst zerbrechlich und befindet sich permanent im Schwebezustand zwischen Kleinkind, Weltherrscher und Norman Bates. Das hemmungslos weinende Elendshäufchen auf dem Sofa und der frohgesoffene Siegertyp im Opel sind oft nur einen Freistoss voneinander entfernt. Aber wir sollten darüber nicht spotten oder in unsportlicher Überheblichkeit das Kleinhirn rümpfen - freuen wir uns lieber, daß wenigstens alle vier Jahre auch uns Männern einmal das Gefühl gegeben wird, wahrhaft große und ehrliche Gefühle zu zeigen.

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