Kalkofes letzte Worte
Drei Wochen später...

Gestern war es. Aber wenn Sie diesen Text lesen, ist es bereits drei Wochen her. Mindestens. Drei Wochen, daß unsere Nationalelf vorzeitig die WM verließ - und die Trauer sich wie ein düsterer Nebel über das deutsche Land legte.

Ich schäme mich meiner Tränen nicht, wenn ich heute, The Day After, hier an meinem Computer sitze und versonnen darüber philosophiere, was sich für Sie wohl alles in diesen vergangenen drei Wochen getan haben mag. Sitzt der Schmerz noch tief? Natürlich tut er das, dumme, unsensible Frage...

Wie hat die Welt sich seitdem verändert? Kann man als anständiger Deutscher noch nach 22 Uhr sicher auf die Straße gehen, ohne von vorbeifahrenden Kroaten im Cabrio verspottet und ausgelacht zu werden? Hat die Börse gelitten? Sind wir noch eine Demokratie?

Ist die Familie des Schiedsrichters, die zweifelsohne von kroatischen Terroristen gefangengehalten wurde, um ihn zur roten Karte gegen unsere Mannschaft zu zwingen, inzwischen befreit worden? Können Sie schon wieder das Wort "Viertelfinale" aussprechen, ohne dabei zu stottern und zu heulen wie ein pubertierendes Backfisch-Weibchen bei der Trennung von "Take That"? Haben Sie seit damals wenigstens wieder einmal lachen können? Ja? Sie glücklicher, gefühlloser Bastard!

Jedes große Land hat seine mindestens ebenso großen Tragödien. England hat Lady Di, die USA haben Vietnam und die Niederländer die Holländer. Unsere Tragödie aber ist viel schlimmer, denn sie war unverdient! Nach einem großen Kampf wurden unsere verbliebenen zehn Restspieler heimtückisch niedergemäht von elf zahlenmäßig haushoch überlegenen kruden Kroaten, dem dreckigen Dutzend für mathematisch Unbegabte.

Erbarmungslos geschrubbt und eingetütet am 4.Juli 1998, das Ende einer Ära - so wird es in der nächsten Auflage der Schul-Geschichtsbücher stehen. Für die Amerikaner ist der 4.Juli nichts weiter als irgend so ein piefiger Unabhängigkeitstag mit der Lizenz zum Truthahnfressen, für Deutschland aber war es der Verlust des Stolzes, des sportlichen Mythos und des Glaubens an das Gute.

So wie jeder Ami auch heute noch traumatisch genau weiß, was er gerade tat, als er von den Schüssen auf JFK oder auf J.R. hörte, so wird jeder kleine Germane sich dereinst an den Moment des barbarisch grausamen 3:0 gegen Bertis Buben erinnern. Doch wichtiger ist: Wird unsere Nation an dieser Katastrophe zerbrechen? Oder sich mutig aufrappeln wie nach den zwei Toren Rückstand gegen Jugoslawien? Erbarmt der liebe Gott sich unser? Gibt es ein Leben nach der WM? Bedeutende Fragen, aber Sie haben die Antwort schon jetzt - ich erst in drei Wochen!

    Kalkofes letzte Worte  

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