Kalkofes letzte Worte
Eine Idee geht auf Reisen

Sehr oft, so zwischen täglich und häufig, fragt man sich als Zuschauer, wieso das TV-Programm eigentlich so schweinelangweilig ist, und warum niemals etwas Gescheites läuft, wenn man gerade mal ein paar Wochen frei hat. Wehmütig erinnert man sich dann an die anspruchsvollen Qualitätsprogramme aus der eigenen Kindheit: sehbehinderte Löwen in "Daktari", geistesgestörte Känguruhs in "Trickfilmzeit mit Adelheit" oder verstockte Torfnasen in "Was bin ich?", die sogar für das mutwillige Verschweigen ihres Berufes ein häßliches Sparschwein mit Kleingeld für den Zigarettenautomaten vollgestopft bekamen. Das war Unterhaltung mit Schmackes – aber heute? Gibt es etwa keine guten Ideen mehr?

Nun, ganz so einfach ist es nicht. Clevere Konzepte existieren schon, aber leider hat Gott vor die Ausstrahlung noch die Sender und ihre Unterhaltungsredaktionen gesetzt – in der freien Medienwildbahn so etwas wie die natürlichen Feinde der Kreativität. Ein Fallbeispiel: nehmen wir einmal an, SIE hätten eine ganz tolle Jahrhundert-Idee, so eine zwischen "Wetten, daß…?" und "Peep!" Wem könnte man sie anbieten? Erster Versuch: den Öffentlich-Rechtlichen – und sei es nur, um sich endlich etwas von der jahrelang sinnlos eingezahlten GEZ-Kohle zurückzuholen! Beim ZDF jedoch stoßen Sie auf heftiges Desinteresse – eine innovative Idee würde das Stammpublikum der über 95jährigen nur irritieren und außerdem machen die es sowieso nicht mehr lange, da lohnt sich eine neue Show gar nicht. Also auf zur ARD, der größten Amtsstube Europas – aber dort verbringen Sie allein drei Jahre mit dem Versuch, am Pförtner vorbeizukommen, der erst noch die nötigen Gesprächsanmeldungsbögen, die Ideenvorschlags-Formulare auf freier Gehaltsbasis, den gelben Konzept-Innovationszettel mit dreifachem Durchschlag und die staatlichen Teppich-Mitbenutzungsbögen für die Flurüberquerung zum Intendanten ausfüllen muß. Na gut, dann eben zu den Privaten. Vox und Kabel 1 hätten große Lust, allerdings nur, wenn Sie etwas dazubezahlen. Pro Sieben hat genug Geld, aber leider keine Zeit, und RTL II sagt, es ginge nur, wenn alles thematisch irgendwie mit möglichst perversen Geschlechtsverkehr-Praktiken zu tun hätte. So klopfen Sie bei RTL an, wo man Ihr Konzept absolut großartig findet, aber ablehnt, weil es weder aus Holland noch aus Amerika stammt und außerdem noch nicht einmal zwanzig Jahre alt ist. Bei Sat.1 bekommt man Wind von dem Gespräch und kündigt an, sofort mit einer noch bunteren Kopie der Idee auf Sendung zu gehen, obwohl man keine Ahnung hat, worum es eigentlich geht – Hauptsache man kann alle zwei Minuten einen bunten Hüpfball durchs Bild hoppeln lassen, und Fritz Egner moderiert. Und in dem Fall behalten Sie Ihre Idee doch wohl auch lieber für sich, oder?

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