Kalkofes letzte Worte
Kirchliche Verarschung

Hexenverbrennungen, Kreuzzüge, Konfirmandenunterricht - ein Großteil der furchtbarsten Verbrechen der letzten 2000 Jahre sind in kirchlichem Namen verübt worden. Warum sollte das also heute im Fernsehen anders sein? Wenn auch die lukrative Religion des modernen Kapitalismus eine andere ist als die unserer naiv gläubigen Vorfahren. Gott ist nicht tot, aber er langweilt. Die Welt regiert derjenige, der die Rechte an der Unterhaltung besitzt. Das wussten schon die alten Römer, als sie die GEZ-Schwarzseher und sonstige störende Vertreter der weniger werberelevanten Zielgruppen in der Gladiatorenliga publikumsträchtig von den Löwen verspachteln ließen. Wer den Spaß besitzt, hat nun mal die Macht, auch wenn er selbst keinen versteht.

Seien wir also einfach dankbar für das lehrreiche Bilderbuch-Beispiel gedankenlosen Machtmissbrauchs und die häufig unterschätzte Kraft des schmollenden Volkes, das wir in den letzten Wochen erleben durften. So begab es sich, dass Film-and-Fun-Dealer Leo Kirch (in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen so eine Art Fantomas der Medienwelt, stets auf der Flucht vor seiner australischen Nemesis Rupert M.) aus nachvollziehbaren Geldproblemen mal eben kurzerhand der Bevölkerung den Samstag umstrukturierte, die hauseigene Fußball-Schwalbe "ran" in die Primetime drückte und den Wünschen der Zuschauer lachend den blanken Hintern zeigte.

Okay, warum auch nicht, wer den Garten Eden gepachtet hat, der darf auch das Paradies verschlüsseln. Göttliche Gerechtigkeit. Das Publikum reichte den gestreckten Fickelfinger mit Dank zurück, das Waisenheim für Decoder wartet immer noch auf ein paar tausend liebevolle neue Eltern, und Sat.l musste für die Quoten einen Tunnel graben. Und jetzt - oops, sorry, alles zurück in den Urzustand. War auch gar nicht so gemeint, wir haben das Publikum doch lieb! Kurz bevor man schon die Zeugen Wontorras ausrücken lassen wollte, die zu Tausenden, mit Premiere-Fibeln bewaffnet, an den Türen klingeln und die Bewohner um ein unverbindliches Gespräch über die Ungerechtigkeiten in der Welt und die Vorteile einer verspäteten Fußballberichterstattung auffordern sollten. und nachdem die geschmierten Glaubensbrüder von Sat.l bis DFB schon drei Katastrophen-Wochen lang hohl erhobenen Hauptes herumstolzierten und überall feststellten, dass man keine Änderung in Erwägung zöge, weil es ja überhaupt keinen Grund dafür gäbe, hihihi. Blablabla und Amen. War schon lustig, das Spektakel. Gibt's eigentlich viel zu selten...

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