Kalkofes letzte Worte
Zurück in die Zukunft

Wir schreiben Monat eins nach Helmut. Eine Epoche ist beendet, ein neues Zeitalter bricht an. Die "Ära Kohl", wie alle einst spottenden Journalisten die Vergangenheit nun respektvoll heuchelnd nennen, ist vorüber, der Wal gestrandet. Der massige Golem aus Oggersheim hebt gramgebeugt den Hintern vom Thron, den er längst fälschlicherweise für sein eigenes Körperteil gehalten hatte. Deutschland muß nun ohne ihn sehen, wo es bleibt. Die 16 fetten Jahre sind vorbei, jetzt ist es Zeit, den Gürtel der Geschichte enger zu schnallen und endlich mal jemand anders alles vermurksen zu lassen. Die Arroganz im Koffer, räumen die entamteten Götter fassungslos das Feld der Macht und treten zurück ins wahre Leben, von der Respektlosigkeit der Menschen schwer enttäuscht. Nie hätten sie gedacht, daß eine simple Wahl der Sterblichen sie so einfach aus dem Olymp vertreiben würde, das war bislang nicht üblich gewesen. Aber die Welt ist nun mal ungerecht...

Und jetzt? Wird alles besser? Vielleicht sogar schlimmer? Oder bleibt die Scheiße einfach so dick wie sie immer war und klebt von jetzt an nur wem anders am Hacken? Wahrscheinlich letzteres, aber einiges wird sich schon ändern. Ich habe zwar wie alle anderen das letzte Sechzehnteljahrhundert im Schatten des Kolosses verbracht, quasi meine ganze Kindheit, aber ich kann mich noch gut erinnern, wie es früher war, in den sozialistischen Siebzigern. Um über die wieder lachen zu können, brauchte man über zwanzig Jahre! Heute findet man es vielleicht kultig, wenn in alten "Tatort"-Folgen verklemmte Gesamtschullehrer mit Hornbrille auf Bonanza-Rädern zum Diskussions-Tee fahren, in dessen Anschluß sie sich aus Frust im Matratzenkeller von einer frühreifen Gymnasiastin verführen lassen und diese dann aus Versehen mit einem Räucherstäbchen erstechen. Damals war das aber gar nicht lustig. Überhaupt wird es mit dem Humor schwierig werden, denn über wen soll man als Kabarettist von jetzt an seine Witze machen? Sozialdemokraten kann man nur schwerlich verspotten, und wenn merken sie es meist noch nicht einmal. Allgemein sind sie eher unlustig und bestechen mehr durch grimmig-blinden Aktionismus bei moralisch einwandfreier Unfähigkeit, als durch bräsige Arroganz gepaart mit skrupellos egoistischem Dilettantismus wie ihre Gegner - was nun einmal wesentlich leichter zu enttarnen ist. Und was das Fernsehen angeht... nun, ich freue mich schon heute auf die Renaissance des Drögen und die Rückkehr der "Rappelkiste" - wenn nicht als sozialpädagogisches Kinderprogramm, dann doch wenigstens als Live-Übertragung aus dem Bundestag! Schließlich ist die Zukunft meist ja doch nichts anderes als die Wiederholung der Vergangenheit - nur mit anderen Schauspielern!

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