Kalkofes letzte Worte
Zehn Jahre ohne Zone

Ach Kinders, wie die Zeit verfliegt! Ein ganzes Jahrzehnt ist es nun schon her, dass dieser skurrile Sachsen-Serengeti seine Mauern öffnete und uns Westgermanen endlich umsonst reinließ. Was auch höchste Zeit war, denn wozu sollte man als Tourist jeden Tag eine Zwangsmenge Spielgeld eintauschen, wenn man ja doch nichts Lustiges dafür kaufen konnte? Nicht mal eine Baseballkappe oder so eins von diesen Brotkorbförmigen Papp-Autos, die dort die Mitarbeiter immer fuhren. Das war ein Fehler im Konzept, aber seien wir ehrlich: Sonst war es schon klasse gemacht, auf den ersten Blick fast wie ein richtiges Land! So ähnlich wie das Schlumpfdorf oder eine Art Disney World in Popelig: architektonische Puristik, professionelle politische Inkompetenz und tolle Bevölkerungsdarsteller, von denen die meisten einen ziemlich ulkigen Akzent draufhatten. Das brachte uns Kinder damals immer gut zum Lachen. Es gab Gerüchte, dass die Bosse der Anlage so streng zu ihren Mitarbeitern waren, dass sie ihnen bei kritischen Worten die Südfrüchte-Ration kürzten oder sie spaßeshalber verhaften ließen.

Tja, aber so ist das nun mal im Kapitalismus, wer da nicht funktioniert, wird knallhart abserviert! Und trotzdem, das muß aufregend gewesen sein... damals in der Twilight-Zone. Irgendwie habe ich nie ganz verstanden, wieso gleich am ersten Tag der offenen Tür fast alle von da abgehauen sind. Doch man erzählte sich, die Betreiber des Themenparks seien pleite gewesen und hätten deswegen auf eine kaufmännische List zurückgreifen müssen: keinen Eintritt mehr nehmen, jeden reinlassen, aber für das Ticket eine obligate Grundgebühr von der Steuer einziehen - egal, ob man überhaupt hin wollte oder nicht. Ähnlich wie die GEZ, bei der muss man ja auch dann für das Geseire von ARD und ZDF zahlen, wenn man eigentlich nur die Orgelstreifen auf RTL II guckt.

Wahrscheinlich lamentieren deshalb heute eine ganze Menge geiziger Spießbürger, dass sie lieber wieder den Zustand von einst zurückhätten. Kein Sinn für Spaß, einige Leute... Manchmal denke ich mir, wie es wohl gewesen wäre, wenn es dieses zauberhafte Land östlich des Regenbogens und seine Zonis wirklich gegeben hätte. Oder wenn sich die Menschen damals ehrlich wirklich gefreut hätten, als die Kollegen den gemauerten Jägerzaun einrissen. Aber irgendwie war es früher natürlich schon lustiger, als man die armen Ossis nur aus der Ferne bejammern und ihnen Weihnachtspakete mit übriggebliebenen Fertiggerichten und zu eng gewordenen Klamotten schicken konnte. Wer hätte denn geahnt, dass wir die zur Strafe für unser Mitgefühl dann irgendwann wirklich am Hacken haben! Gutmütigkeit wird eben immer viel zu schnell ausgenutzt.

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