Kalkofes letzte Worte
Protest im Kornfeld

So weit sind wir in diesem Land also schon gekommen: das ZDF setzt die Hitparade ab! Nach mehr als dreißig Jahren treuem Lala-Frondienst bei den Öffentlich-Rechtlichen - rein arbeitsrechtlich gesehen längst im Beamten-Status der Unkündbarkeit - soll die Mutter aller Musikformate jetzt einfach so aus dem Äther geblasen werden. Das gleicht einer Herzentnahme am offenen Sender! Die Hitparade, Heck hab sie selig, als unerschütterlicher Bewahrer germanischen Liedguts gilt als einer der Grundpfeiler unserer Kultur. Meiner Erinnerung nach wurde das ZDF damals überhaupt nur wegen dieser Sendung gegründet, weil die swingende Deutschnegermusikparade der ARD zu progressiv und frech erschien. Die Reste drumherum verstand ich persönlich lediglich als Sendelochaufschüttung und üblerweise notwendiges Schlager-Rahmenprogramm zwischen den Hit-Happenings, weil ja die alten Gesangsrochen nach jedem Auftritt immer vier Wochen Ruhe brauchten.

Und warum soll diese fundamentale Mitklatsch-Institution unserer Demokratie jetzt plötzlich in die Urne hüpfen? Nur weil sie inzwischen läppische achtzig Prozent weniger Zuschauer hat als im letzten Jahrhundert? Mein Gott, die meisten davon sind halt schon tot, und außerdem reisst man den Kölner Dom ja auch nicht einfach ab, nur weil kein Schwein mehr in die Kirche geht. Gnadenlos ist dabei vor allem die Entscheidung der einäugigen Zweitstation, den leergemobbten Platz mit irgendeiner neuen Serie ausfüllen zu wollen. Aber brauchen wir denn wirklich noch einen weiteren familienfreundlichen 250-Teiler mit Klaus-Jürgen Wussow als 35-jährigem katholischen Diplom-Abdecker und Kinderpsychologen, der in seiner Freizeit Mordfälle löst? Und was soll ohne die Hitparade als therapeutisches Auffangbecken für Schlagerstars überhaupt aus all den arbeitslosen Gesangsgranaten aus dem Ghetto der Unterhaltungsbrache werden? Heruntergekommene Kleinkriminelle, die uns nachts in Hauseingängen auflauern und mit 'Geld her oder ich gröl dich um!' bedrohen? Abgewrackte Applaus-Junkies, die in den Fußgängerzonen um etwas Gratis-Beifall und Karaoke-Care-Pakete betteln? So weit darf es nicht kommen! Sex-Jukebox Jürgen Drews hat jedenfalls bereits angekündigt, mit einer Armee Schlagersöldner einen Protestmarsch zum Reichstag zu organisieren und notfalls ganz Berlin in Schutt und Asche zu singen, wenn das ZDF nicht einlenken wolle. Denn wie sagte schon Goethes Halbschwester und Pferdezahnpflegerin Tina York: 'Wir lassen uns das Singen nicht verbieten. Das Singen nicht und auch die Fröhlichkeit.' Amen. Wär ja auch noch schöner!

    Kalkofes letzte Worte  

nach oben

  
drucken   |   gästebuch   |   kontakt   |   impressum