Kalkofes letzte Worte
Der Sinn des Handys

Die Geschichte des Handys ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Lange Zeit wurde beispielsweise behauptet, es existiere zum Telefonieren. Vor allem für wichtige Menschen und ebenso wichtige Gespräche. Oder auch den berühmten Notfall, wenn man mal allein als Frau nachts um zwei mit dem Auto neben der offenen Vollzugsanstalt für psychopathische Vergewaltiger liegen bleibt. Unfug!

Das Handy ist das Manna des Menschen der Moderne, der ewige Kontakt zum gemeinsamen Über-Ich, die Direktleitung zu Gott oder wenigstens seiner Mailbox. Erschaffen, uns aus der persönlichen Anonymität herauszuheben, hinein in die globale Gemeinschaft der anonymen Handy-Besitzer. Ich telefoniere, also bin ich. Handys sind Lebensfreude mit Wiederwahlfunktion. Deswegen sehen sie inzwischen auch so lustig aus. Bunt, klein, anschmiegsam, ästhetisch anspruchsvoll und für die Dame mit Geschmack und sonst keinen Sorgen auch in tollen Trendfarben zum täglichen Auswechseln, passend zum Make-up. Man kann mit ihnen spielen, im Internet surfen, faxen, unnötige Botschaften verschicken oder sich über Satellit anpeilen und die Menükarte der zwölf nächstgelegenen McDonald's-Filialen auf das Display jagen lassen. Wer seine Mitmenschen hasst, kann sich die Maxiversion von Brother Louie als Klingelton einprogrammieren oder krakelige Bildchen von kackenden Hunden mit Herzchen als Typographie-Kryptogramme versenden.

Demnächst wird man mit dem Handy sogar fernsehen und sich beim Shoppen in der Fußgängerzone den Director's Cut von Titanic auf Briefmarkengröße anschauen können, sogar in Dolby Surround, wenn man genug Freunde hat, die einem die Boxen tragen. Und manchmal, wenn man alle Sonderfunktionen durch hat, kann man sogar damit telefonieren. Wie banal! Aber zum Glück hat man ja meistens sowieso kein Netz ...

    Kalkofes letzte Worte  

nach oben

  
drucken   |   gästebuch   |   kontakt   |   impressum